Wie wir Menschen brauchen auch die meisten Lebewesen im Meer Sauerstoff zum Atmen. Davon genügend aufzunehmen, ist für viele Meeresbewohner jedoch deutlich schwieriger als für Menschen und Tiere an Land. Zum einen enthält die Lufthülle der Erde über 99 Prozent des verfügbaren Sauerstoffs – für den Ozean und seine Lebenswelten bleiben folglich nur weniger als ein Prozent übrig. Zum anderen bewegen sich Meeresströmungen viel langsamer als Luftmassen in der Atmosphäre. Das bedeutet, dass sich sauerstoffreiches Wasser entsprechend langsamer im Meer verteilt.
Klimabedingte Sauerstoffverluste des Ozeans
In der Erdgeschichte haben Phasen des akuten Sauerstoffmangels im Ozean bereits dreimal zu Massensterben im Meer geführt. Seit etwa 70 Jahren verlieren die Meere nun wieder an Sauerstoff. Ursachen sind steigende Wassertemperaturen, eine zunehmende Schichtung der Wassermassen durch den Klimawandel und eine biologische Kettenreaktion, die ausgelöst wird, wenn zu viele Nährstoffe vom Land in die Küstengewässer gelangen. Aber der Reihe nach!
Der Ozean ist eine Station im globalen Sauerstoffkreislauf. Er nimmt das lebenswichtige Gas an der Meeresoberfläche aus der Luft auf. Es löst sich dann im Meerwasser, so dass das Oberflächenwasser im Verhältnis zu seiner Temperatur immer den maximal möglichen Sauerstoffgehalt aufweist. Je kälter das Oberflächenwasser ist, desto mehr Sauerstoff kann sich darin lösen. Die sauerstoffreichsten Wassermassen befinden sich deshalb in den Polarmeeren.
Je wärmer das Wasser, desto weniger Sauerstoff wird gelöst. Das heißt, das Oberflächenwasser kann den Sauerstoff nicht aufnehmen und gibt ihn (wieder) an die Atmosphäre ab. Das geschieht zum einen, wenn Wassermassen aus den Polarregionen an der Meeresoberfläche in Richtung der Tropen wandern und sich dabei erwärmen. Zum anderen aber auch, wenn sich das Meer im Zuge des Klimawandels erwärmt. Steigen die Wassertemperaturen, verbrauchen Meeresorganismen zudem mehr Sauerstoff, um ihre Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Beide Trends – steigender Verbrauch und sinkende Löslichkeit des Gases – führen in Summe dazu, dass der Sauerstoffgehalt im Ozean sinkt.
Sauerstoffarme Zonen in mittlerer Tiefe
Wenn Sauerstoff im Oberflächenwasser gelöst ist, sorgen Wind und Wellen für eine gute Verteilung in den oberen 30 bis 50 Metern der Wassersäule. In den lichtdurchfluteten oberen 200 Metern produzieren Mikroalgen zusätzlich Sauerstoff, der jedoch relativ schnell von anderen Organismen wieder veratmet wird.
Die mittleren und großen Meerestiefen hingegen werden nur durch Strömungen mit Sauerstoff versorgt. Diese transportieren das sauerstoffreiche Wasser von der Oberfläche in die Tiefe. Vor allem in den produktiven Meeresgebieten reicht die Sauerstoffzufuhr jedoch nicht mehr aus, um den Bedarf der dort lebenden Organismen zu decken. Insbesondere dann, wenn in diesen Gebieten viel Biomasse aus dem Oberflächenwasser absinkt und in der Tiefe zersetzt wird - denn bei diesem Prozess wird zusätzlich Sauerstoff verbraucht. Deshalb entstehen zum Beispiel vor den Küsten Perus, Namibias und Kaliforniens ab einer Wassertiefe von 100 bis 1000 Metern natürliche sauerstoffarme Zonen, auch Sauerstoff-Minimumzonen genannt. Diese stellen vor allem für Raubfische eine Gefahr dar, weil die Jäger für ihre Beutezüge viel Energie und Atemsauerstoff benötigen. Aus diesem Grund meiden Haie, Thunfische und andere Räuber diese Zonen.
Die Zahl, Dicke und Ausdehnung der Sauerstoff-Minimumzonen haben in den zurückliegenden Jahrzehnten stetig zugenommen, weil die klimabedingte Erwärmung der Meere und der zunehmende Eintrag von Süßwasser (Niederschläge, Meereisschmelze) dazu führen, dass die verschiedenen Wassermassen des Meeres stabiler übereinander liegen. Das Oberflächenwasser ist wärmer sowie weniger salzig und sinkt infolgedessen nicht mehr so schnell oder tief ab. Dadurch vermischen sich die Wassermassen nicht mehr so stark. Strömungen verändern sich, so dass tiefere Meeresbereiche zunehmend von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten werden.
Zu viele Nährstoffe in Küstengewässern
Davon zu unterscheiden sind sauerstoffarme Zonen in den Küstengewässern, die vor allem im Sommer durch übermäßige Nährstoffeinträge entstehen. Überall dort, wo in der Landwirtschaft großflächig oder unsachgemäß gedüngt wird, transportieren Regen, Bäche und Flüsse die überschüssigen Nährstoffe in die Küstengewässer. Dort angekommen, fördern die Düngemittel das massenhafte Wachstum von Mikroalgen. Sterben diese Algen, sinkt ihre Biomasse ab und wird in der Wassersäule oder am Meeresboden von Mikroorganismen zersetzt. Diese verbrauchen dabei so viel Sauerstoff, dass andere Meeresorganismen in Atemnot geraten und die Flucht ergreifen, sofern sie dazu in der Lage sind. Fachleute sprechen bei Sauerstoffknappheit auch von Hypoxie.
Zu den größten sauerstoffarmen Zonen infolge überhöhter Nährstoffeinträge gehören die so genannte Todeszone im Golf von Mexiko sowie große Gebiete der Ostsee. Forschende kennen mittlerweile aber mehr als 500 Küstengebiete weltweit, in denen der Sauerstoffgehalt saisonal so weit absinkt, dass die Bedingungen für sauerstoffatmende Organismen lebensbedrohlich sind.
Weiterführende Texte
World Ocean Review 07: Lebensgarant Ozean – Kapitel 2: Der Ozean im Klimawandel, Link: worldoceanreview.com/de/wor-7/der-ozean-im-klimawandel/
Warnsignal Klima - Auswirkungen von Sauerstoffmangel auf die Artenzusammensetzung in den Meeren (2016), Link: www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/pdf/de/biodiversitaet/warnsignal_klima-die_biodiversitaet-kapitel-2_5.pdf
Auf Englisch: Curtis Deutsch, Justin L. Penn, and Noelle Lucey (2024). Climate, Oxygen, and the Future of Marine Biodiversity. Annual Review of Marine Science Volume 16, 2024 Vol. 16:217-245 (Volume publication date January 2024), doi.org/10.1146/annurev-marine-040323-095231