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Fokus

Umweltzustand von Nord- und Ostsee

Alle sechs Jahre bewerten Fachleute den Umweltzustand der deutschen Meeresgebiete. Ihr aktueller Bericht zeigt, dass es der deutschen Nord- und Ostsee nicht gut geht.

Ein regelmäßiger Gesundheitscheck für die Meere

Der Zustand der deutschen Nord- und Ostseegewässer wird derzeit so regelmäßig kontrolliert wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Ausschlaggebend dafür ist die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL). Sie verpflichtet europäische Küstenstaaten wie Deutschland eine sogenannte Meeresstrategie zu entwickeln, mit deren Hilfe ein guter Zustand der Meeresumwelt erreicht oder erhalten werden soll.

Ziel der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ist ein guter Umweltzustand der Meeresgewässer, das heißt ökologisch vielfältige und dynamische Ozeane und Meere, die im Rahmen ihrer jeweiligen Besonderheiten sauber, gesund und produktiv sind und deren Meeresumwelt auf nachhaltigem Niveau genutzt wird, sodass die Nutzungs- und Betätigungsmöglichkeiten der gegenwärtigen und der zukünftigen Generationen erhalten bleiben (Art. 3 Nr. 5 MSRL).

Diese Strategie und das dazugehörige Maßnahmenprogramm werden alle sechs Jahre überprüft und fortgeschrieben. Für die Evaluation bewerten Fachleute im Auftrag des Bundesumweltministeriums und der Küstenbundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein den Zustand der deutschen Küsten- und Meeresgewässer in Nord- und Ostsee neu. Als Wissensbasis dienen ihnen dabei aktuelle Fachpublikationen sowie Ergebnisse aus wissenschaftlichen Beobachtungsprogrammen oder Langzeitstudien in Nord- und Ostsee.

Eine erste Bewertung wurde im Jahr 2012 vorgenommen, eine zweite im Jahr 2018. Der dritte und aktuelle Zustandsbericht erschien im Oktober 2024. Er besteht aus zwei Teilberichten, einen für die deutschen Nordseegewässer und einen für die deutschen Ostseegewässer.

Seit dem Start der Zustandsberichte gab es Fortschritte bei der Zustandsbeschreibung und -diagnostik. Das heißt, Fachleute haben in den zurückliegenden Jahren genauer definiert, mit welchen gemeinsamen Kriterien und Verfahren der Zustand der Meeresgewässer überwacht und bewertet werden soll. So enthält der neue Bericht zum Beispiel konkretere Aussagen zum Zustand der Biodiversität. Außerdem hat man sich auf EU-weit einheitliche Schwellenwerte für die Indikatoren Strandmüll, Unterwasserlärm sowie Verlust und Schädigung des Meeresbodens geeinigt. Beim Gesundheitscheck der Meeresgewässer können somit viel detailliertere Aussagen zu ausgewählten Belastungsfaktoren gemacht werden.

Die deutsche Nord- und Ostsee sind in keinem guten Zustand

„Insgesamt wurde festgestellt, dass die von Deutschland zu bewirtschaftenden Nordsee-/Ostseegewässer auch im dritten Bewertungszeitraum 2016–2021 den angestrebten guten Zustand (…) nicht erreichen. Weder haben die zu hohen Belastungen durch menschliche Aktivitäten im Bewertungszeitraum ausreichend abgenommen noch hat sich der Zustand der marinen biologischen Vielfalt und der Meeresökosysteme verbessert.“ (Zustand der deutschen Nordsee-/Ostseegewässer 2024, Kurzfassung)

So fassen die Autoren und Autorinnen den Zustand der deutschen Küsten- und Meeresgewässer in beiden Teilberichten wortgleich zusammen. Beide Meeresgebiete und die darin vorkommenden Lebensgemeinschaften wurden weiträumig durch Eutrophierung (Überdüngung infolge von Nährstoffeinträgen), Schadstoffe, Müll und Unterwasserlärm belastet und sind somit in keinem guten Umweltzustand. Eine gute Nachricht gibt es aber: In der deutschen Nordsee konnten erstmals küstenferne Meeresgebiete identifiziert werden, die als nicht überdüngt („nicht eutrophiert“) eingestuft wurden. Diese Gebiete machen 13 Prozent der küstenfernen deutschen Nordsee aus. In den Küstengewässern der deutschen Nordsee wurden hingegen alle Schwellenwerte für Nährstoffkonzentrationen und Eutrophierungseffekte weiterhin deutlich überschritten.

Müll war an den Stränden, am Meeresboden sowie in der Wassersäule der Nord- und Ostsee allgegenwärtig. Obgleich die Müllfunde an Stränden abnahmen und in der Ostsee teilweise bereits unterhalb des Schwellenwertes lagen, nahmen die Müllfunde am Meeresboden beider Meere zu. Der Müll bestand dabei zumeist aus Kunststoff und stammte in der Nordsee vor allem aus der Fischerei. 

Sowohl in der Nordsee als auch in der Ostsee hat infolge des Ausbaus der Offshore-Windenergie die Belastung der Meeresorganismen durch Unterwasserschall zugenommen. Lärmquellen sind dabei Rammarbeiten und der mit dem Ausbau verbundene Schiffsverkehr. Durch Maßnahmen zur Lärmminderung ist es dem Bericht zufolge jedoch in beiden Meeresregionen gelungen, dass Grenzwerte für Impulsschall zunehmend eingehalten und Rammzeiten reduziert werden konnten. 

In beiden Meeresregionen stellten Fachleute die Ansiedlung weiterer gebietsfremder Arten fest. In der Nordsee waren es zwölf Arten, in der Ostsee neun. Um einen guten Zustand zu erreichen, dürfen es nur ein bis zwei neu registrierte Arten pro Berichtszeitraum sein. Die Einwanderer waren vor allem als blinde Schiffspassagiere in die Nord- und Ostsee gelangt oder von Fischern für die Fisch- und Muschelzucht in Aquakultur-Käfigen eingeführt worden.

Datenlücken bei kommerziell genutzten Fischbeständen

Große Datenlücken zeigt der Zustandsbericht bezüglich der kommerziell befischten Fisch- und Schalentierbestände (Muscheln, Krebstiere) auf. In der Ostsee konnten deshalb nur neun der 25 betrachteten Bestände bewertet werden; in der Nordsee waren es 14 von 21.

Von den 21 betrachteten Fischbeständen in den deutschen Nordseegewässern waren acht Bestände in einem guten Zustand. Sechs Bestände erfüllten die entsprechenden Kriterien nicht. Das Zwischenziel, dass bis zum Jahr 2023 Dreiviertel (75 Prozent) der bewerteten Bestände einen guten Umweltzustand erreichen, wurde damit verfehlt. 

Dasselbe gilt für die Ostsee, wo von 25 betrachteten Fischbeständen lediglich einer, nämlich die Scholle in der östlichen deutschen Ostsee, die Anforderungskriterien für einen guten Zustand erfüllte. Im Vergleich zu den vorhergehenden Bewertungszeiträumen war demzufolge keine Verbesserung im Anteil von Beständen, die den guten Umweltzustand erreichen, eingetreten.

Vielfach gestörte Lebensräume am Meeresboden und in der Wassersäule

Dem Bericht zufolge war der Meeresboden der deutschen Nord- und Ostseegewässer weiterhin zu hohen Belastungen durch menschliche Aktivtäten ausgesetzt. Er wurde zum einen weiträumig durch die Fischerei mit Grundschleppnetzen gestört. Zum anderen ging vielerorts aber auch Lebensraum am Meeresboden verloren, weil zum Beispiel Hafen- oder Offshore-Anlagen gebaut, Kabel- oder Rohrleitungen verlegt, Muschelkulturflächen angelegt oder Küstenschutzmaßnahmen durchgeführt wurden. Hinzu kamen noch die Belastungen durch Schadstoffe und Nährstoffeinträge, weshalb am Ende keiner der Lebensräume am Meeresboden der deutschen Nord- und Ostsee die Anforderungen eines guten Zustandes erfüllte. 

Die gesamte Wassersäule (Freiwasser) in der deutschen Nord- und Ostsee war weiträumig durch Nährstoffe, Schadstoffe und gebietsfremde Arten belastet. Im Freiwasser leben marine Säugetiere wie Robben und Wale, See- und Küstenvögel, Fische, Kopffüßer, aber auch das Plankton, dessen pflanzliche Vertreter durch ihre Fähigkeit zur Photosynthese als Primärproduzenten die Grundlage der marinen Nahrungsnetze bilden. 

Die Auswirkungen der erhöhten Nährstoffeinträge wie die Zunahme von Algenblüten, eine Abnahme der Sichttiefe sowie Änderungen der Planktonzusammensetzung waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass 93 Prozent der Freiwasser-Lebensräume in der deutschen Ostsee in keinem guten Umweltzustand waren. In der Nordsee betrug der Anteil sogar 100 Prozent, weil neben den Nährstoffeinträgen auch die klimabedingte Meereserwärmung und -versauerung das Leben in der Wassersäule beeinträchtigen.

Keine verbesserten Lebensbedingungen für Fische, Seevögel und Meeressäuger

Auch die für die deutschen Nord- und Ostseegewässer bewerteten See- und Küstenvögel, marinen Säugetiere und Fische befanden sich in keinem guten Zustand.

Für die Fische waren je nach Art die Fischerei, Wanderbarrieren, Lebensraumveränderungen, Nährstoffeinträge, Schadstoffbelastung und der Klimawandel maßgebliche Belastungen, die dazu führten, dass die Fische insgesamt in keinem guten Zustand waren. Besonders betroffen waren in der Nordsee langlebige, langsam wachsende und große Arten wie Haie und Rochen sowie zwischen Süß- und Salzwasser wandernde Fischarten wie Stör, Aal und Lachs. In der Ostsee galt dies auch für beliebte Speisefische wie Dorsch, Sprotte und Hering.

Bei den See- und Küstenvögeln waren in der deutschen Nordsee über ein Drittel der betrachteten 78 Arten in keinem guten Zustand. In der Ostsee waren es fast die Hälfte der betrachteten 54 Arten. Als Gründe nennen die Autoren und Autorinnen: 

  • gebietsfremde Säugetiere, die an den Küsten Jagd auf Vögel und deren Gelege machen
  • Änderung der Nahrungsverfügbarkeit (unter anderem durch Reduktion von Beutearten und lokale Rückwürfe in der Fischerei)
  • Störungen durch die Schifffahrt
  • Tod in Stellnetzen – vor allem in der Ostsee

 

Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Die Kegelrobben und Seehunde in der deutschen Nordsee befanden sich in einem guten Zustand. Hier setzte sich die positive Entwicklung fort. In der deutschen Ostsee fiel die Bewertung allerdings negativ aus. Hier waren die Robben-Populationen in keinem guten Zustand. Die gleiche Aussage trifft der Bericht für den Zustand der Schweinswale in beiden deutschen Meeresgebieten. Aufgrund von menschengemachten Beeinträchtigungen wie Unterwasserlärm, hoher Schadstoffbelastung und den Folgen der Fischerei (geringere Beuteverfügbarkeit, erhöhte Sterblichkeit durch Beifang) sind die Schweinswale weder in der Nordsee noch in der Ostsee in einem guten Zustand. Es fehlen den Tieren, so das Fazit, weiterhin Rückzugsräume, in denen sie vor menschlichen Aktivitäten geschützt sind.

Quellen und weiterführende Informationen

Alle auf dieser Seite gemachten Aussagen stammen aus den folgenden zwei Zustandsberichten. Dort finden Sie auch detaillierte Erläuterungen zu den einzelnen Bewertungskriterien. Beide Berichte stehen kostenlos zur Verfügung.

  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) (Hrsg.) (2024): Zustand der deutschen Nordseegewässer 2024. Aktualisierung der Anfangsbewertung nach § 45c, der Beschreibung des guten Zustands der Meeresgewässer nach § 45d und der Festlegung von Zielen nach § 45e des Wasserhaushaltsgesetzes zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee (BLANO), 15. Oktober 2024. URL: mitglieder.meeresschutz.info/de/berichte/zustandsbewertungen-art8-10.html
  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) (Hrsg.) (2024): Zustand der deutschen Ostseegewässer 2024. Aktualisierung der Anfangsbewertung nach § 45c, der Beschrei- bung des guten Zustands der Meeresgewässer nach § 45d und der Festlegung von Zielen nach § 45e des Wasser- haushaltsgesetzes zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee (BLANO), 15. Oktober 2024. URL: mitglieder.meeresschutz.info/de/berichte/zustandsbewertungen-art8-10.html

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