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Einblick

Artenvielfalt im Meer

Der Ozean bildet den größten zusammenhängenden Lebensraum der Erde und beheimatet Millionen verschiedener Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen.

Artenvielfalt heißt Leben. Ein Blick auf ein gesundes Korallenriff zeigt, was das bedeutet. Stabile Ökosysteme verfügen über viele verschiedene Bewohner unterschiedlichster Arten, die selbst die kleinsten Nischen nutzen und alle voneinander abhängen. Egal, ob klein oder groß, bunt oder grau, Pflanze oder Tier. Die Gemeinschaft ändert sich intern ständig - ist insgesamt aber in sich stabil und lässt sich durch äußere Einwirkung nicht sofort aus dem Gleichgewicht bringen, wenn sie gesund ist. 

Die Bedeutung von Artenvielfalt im Meer

Stabile, marinen Lebensgemeinschaften erbringen für uns Menschen überlebenswichtige Dienstleistungen: Sauerstoff zum Atmen, Nahrung zum Essen oder Schutz vor Überflutungen. Eine hohe Artenvielfalt ist dabei unerlässlich für das gute Funktionieren eines Ökosystems. Sie macht Lebensräume produktiver und widerstandsfähiger gegen äußere Bedrohungen wie Veränderungen in der Umwelt. 

Eine hohe Artenvielfalt garantiert, dass ein Lebensraum optimal genutzt werden kann. Das liegt daran, dass verschiedene Arten unterschiedliche Ansprüche zum Beispiel an Licht oder Temperatur haben. So gibt es Algen, die viel Licht mögen und bei hoher Sonneneinstrahlung optimal wachsen. Andere Algen wiederum bevorzugen lichtärmere Regionen in einem Lebensraum. Sie gedeihen am besten im Schatten der lichtliebenden Arten. Zusammen bilden sie einen dichten Algenwald, der viel mehr Nahrung und Verstecke für Meerestiere bietet, als eine Algenart alleine. 

Die Arten in einer Lebensgemeinschaft kommen dabei nicht alle gleich oft vor. Häufig dominieren einige wenige Arten, während es daneben viele seltenere Arten gibt, die sich im Selektionsprozess nicht durchsetzen konnten, die aber auch nicht verschwunden sind. Sie können eine wichtige Rolle bei Störungen spielen: Ändern sich die Umweltbedingungen, haben sie plötzlich einen Vorteil und können die Rolle der dominierenden Art übernehmen.   

Im Meer gibt es aber auch einige Lebensräume, die extreme Umweltbedingungen haben. Etwa heiße Quellen in der Tiefsee. Die Lebensgemeinschaften an solchen dunklen, heißen Orten bestehen aus vergleichsweise wenigen Arten, die aber wiederum perfekt an die extremen Bedingungen angepasst sind. 

Die Lebensgemeinschaften der marinen Ökosysteme ändern sich intern ständig. Diese Änderungsprozesse sind normal und sichern die Widerstandskraft. So ist es ganz natürlich, dass Arten ein- und abwandern oder in einigen Fällen sogar aussterben.  

Wenn neue Arten einwandern

Die Einwanderung fremder Arten kann angestammte Lebensgemeinschaften stark beeinflussen und sogar aus dem Gleichgewicht bringen. Aber nicht jeder Neuling ist schädlich: Der in die Nordsee eingeschleppte Japanische Beerentang (Sargassum muticum) beispielsweise hat sich schadlos in das Ökosystem des Wattenmeeres eingefügt. Der aus Asien stammende Borstenwurm Polydora websteri hingegen bohrt die Schalen von Austern an und gilt daher als Muschelschädling. 

Besonders gefährlich sind sogenannte invasive Arten. Das sind neue Arten in einem Lebensraum, die dort keine Feinde vorfinden und sich ungebremst vermehren können. Teilweise so stark, dass sie alle Ressourcen für sich beanspruchen und einheimische Arten verdrängen. Ein Beispiel ist hier die Pazifische Auster (Crassostrea gigas) in der Nordsee. Fremde Arten wandern in der Regel auf einem von zwei Wegen ein: Die meisten werden - zumeist unfreiwillig - vom Menschen eingeschleppt, zum Beispiel haften sie an Schiffsrümpfen oder im schwimmen im Ballastwasser. Andere wandern mit wärmer werdenden Wassermassen ein oder sie profitieren von neu errichteten Anlagen wie Windturbinen. Deren Gründungsstrukturen bieten verschiedenen Organismen einen geeigneten Ort, sich in einem neuen Lebensraum anzusiedeln, den es vorher gar nicht so gab. 

Forschungsergebnisse aus der Nord- und Ostsee belegen, wie dynamisch die Lebensgemeinschaften des Meeres auf Neulinge reagieren können und oft bereichert werden. Es gibt allerdings auch klare Verlierer der Artenverschiebung. Zum einen jene Arten, die der Konkurrenz von Neulingen nicht standhalten und verdrängt werden. Zum anderen können die neuen Arten aber auch im Lebensraum unbekannte Krankheiten einschleppen und sie auf die alteingesessenen Individuen übertragen. Wenn diese keinen eigenen Abwehrmachanismus haben oder entwickeln können, sterben sie massenhaft und verschwinden aus dem Lebensraum. 

Artensterben — in geringer Zahl ganz natürlich

Zu den Änderungsprozessen von Ökosystemen gehört auch dazu, dass Tier- und Pflanzenarten aussterben. Es ist ein natürlicher Bestandteil der Evolution des Lebens auf der Erde. Verschwindet eine Art, übernehmen in der Regel neue oder andere Arten deren Aufgaben und Funktionen. Diese Anpassung aber dauert. Der Mechanismus funktioniert deshalb so lange gut, wie sich die Aussterberate in einem normalen Rahmen bewegt. Das heißt: So lange innerhalb von 100 Jahren maximal eine von 10.000 Arten ausstirbt.

Steigt die Zahl der verschwindenden Arten weit darüber hinaus, steuert die Welt auf ein Massenaussterben zu. Als solches bezeichnet man Phasen, in denen rund 75 Prozent aller lebenden Arten innerhalb eines kurzen geologischen Zeitraumes (meist weniger als 2 Millionen Jahre) verschwinden, ohne dass die Funktionslücken, die sie hinterlassen, durch andere Arten geschlossen werden. Das letzte Massenaussterben datiert auf die Zeit vor 66 Millionen Jahren zum Ende der Kreidezeit, als die Dinosaurier verschwanden.

Das sechste Massensterben

Aktuell kündigt sich das sechste Massensterben der jüngeren Erdgeschichte an: Infolge menschlicher Eingriffe in die Natur und in das Klima der Erde ist die Aussterberate im Vergleich zu vormenschlicher Zeit um das 100- bis 1000-Fache gestiegen. Etwa eine Million Arten sind derzeit vom Aussterben bedroht, viele Arten in Teilen ihres angestammten Territoriums heute schon nicht mehr zu finden. 

Alarmstufe Rot heißt es auch für das Meer. Neue Forschung belegt: Sollten die Temperaturen in Atmosphäre und Meer weiter ansteigen, werden die Artenverluste infolge von Hitzestress und Sauerstoffmangel im Meer innerhalb der kommenden 75 Jahre genauso groß sein wie die Verluste durch Überfischung, Verschmutzung und Lebensraumzerstörung. In der Summe würden bei einem globalen Temperaturanstieg von bis zu 4,9 Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts so viele marine Arten aussterben, dass die Definitionsbedingungen eines Massenaussterbens erfüllt sind. 

Um die Ökosysteme der Meere und Ozeane zu bewahren und die Artenvielfalt zu erhalten, ist ein gutes Management der Meere unerlässlich. Schutzgebiete dürfen nicht nur auf dem Papier existieren, sondern das Einhalten der Regeln muss auch kontrolliert sowie Verstöße sanktioniert werden. Dann haben wir die Chance, ein Massensterben zu verhindern.

Quellen

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