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Fokus

Munition im Meer – Sachstand und Perspektiven

Kampfmittel im Meer sind eine Bedrohung für die Meeresumwelt und ein Risiko für die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung der Meere. Zum Ausmaß dieser Bedrohung und dem zukünftigen Umgang mit der Altlast wird seit einigen Jahren mit zunehmender Intensität geforscht. In diesem Papier sind der wissenschaftliche Sachstand und die Perspektiven zum Thema Munition im Meer zusammengefasst.

Stand: Oktober 2024

1. Historischer Hintergrund und Verteilung im Meer

Im Zusammenhang mit dem 1. und 2. Weltkrieg wurden große Mengen von Kampfmitteln in deutsche Meeresgewässer und die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) eingebracht. Den weitaus größten Anteil macht Munition aus, die nach dem 2. Weltkrieg in ausgewählte Versenkungsgebiete verklappt wurde. Die hierbei oft genannte Zahl von 1,6 Millionen Tonnen lässt sich nicht zweifelsfrei bestätigen, erscheint aber auf Basis des deutschen Munitionsbestandes im Mai 1945 realistisch. Hinzu kommen ca. 5.090 Tonnen chemische Kampfmittel, die in den deutschen Gewässern von Nord- und Ostsee verklappt wurden. Neben den konzentrierten Vorkommen in Versenkungsgebieten, wurde durch Kampfhandlungen, Übungen und Unfälle während und nach den Weltkriegen weitere Munition in schwer nachzuvollziehender Art und Menge im Meer verteilt. Auch in den Gewässern unserer europäischen Nachbarn ist Munition zu finden. Hervorzuheben ist hierbei die hohe Belastung der Gewässer des Vereinigten Königreichs.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Allein im Militärarchiv in Freiburg befinden sich mehrere Aktenkilometer potenziell relevanter historischer Unterlagen. Hinzu kommen notwendige Recherchen in den Archiven der Siegermächte insbesondere des Vereinigten Königreichs. Ein Großteil der Akten sind nicht digitalisiert. Es wird empfohlen die relevanten deutschen Akten zu digitalisieren und sie Historikern zur Verfügung zu stellen.

2. Gefahr für Leib und Leben

Wie Blindgänger an Land, stellen auch Munitionsaltlasten im Meer für Menschen, die mit ihnen in Berührung kommen, grundsätzlich eine Gefahr für Leib und Leben dar. Ein Kampfmittel beispielsweise beim Ankern versehentlich zur Detonation zu bringen ist zwar relativ unwahrscheinlich, stellt aber dennoch ein reales Risiko in den Gewässern der deutschen Ostund Nordsee dar. Berufsgruppen, die mit dem Meeresgrund interagieren, wie Fischer, Beschäftigte in der Nassbaggerei und in der Meeresforschung sind hiervon in erhöhtem Maße betroffen. Hinzu kommt für Strandspaziergänger oder Wattwanderer die Möglichkeit, mit angespülten Munitionsresten oder selbstentzündlichem weißen Phosphor in Kontakt zu geraten. Dem höchsten Risiko sind jedoch Angestellte von Kampfmittelräumdiensten und -firmen ausgesetzt. Darüber hinaus liegen Teile der verklappten Munitionskörper küstennnah in relativ geringen Wassertiefen und könnten in die Hände unbefugter Personen gelangen.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Es existieren Berichte, die darauf hinweisen, dass die Schlagempfindlichkeit der in der Munition enthaltenen Explosivstoffe mit der Zeit zunimmt – sie wären somit immer leichter zu einer versehentlichen Detonation zu bringen. Dies wurde für Munition im Meer bislang nicht empirisch bestätigt, Routinemäßige Beprobungen und Untersuchungen von gefundenen und geborgenen Kampfmitteln könnten diesen Zusammenhang überprüfen. Falls sich der Verdacht bestätigt, würde dies auch die Notwendigkeit einer zügigen systematischen Räumung verstärken. 

3. Umweltbeeinträchtigungen

Viele sprengstofftypische Verbindungen sind giftig, erbgutverändernd und krebserregend. Da die Munition sukzessive durchrostet und in einigen Gebieten bereits erhebliche Mengen an Explosivstoffen offen am Meeresgrund liegen, ist der Eintrag in die Umwelt schon jetzt nachweisbar. In der Nähe offen liegender Explosivstoffbrocken wird eine um ein Vielfaches höhere Belastung mit toxischen Stoffen gemessen als in nicht belasteten Vergleichsgebieten. Zudem wurden in Miesmuscheln und Fischen aus Versenkunsgebieten höhere Konzentrationen von TNT und TNT-Umbauprodukten ermittelt als in Artgenossen an Standorten ohne Munition. Je nach Standort und Region unterscheiden sich die Konzentrationen in Plattfischen (Klieschen). Im Versenkungsgebiet Kolberger Heide sind sie etwa 100-mal höher als in der Lübecker Bucht und in der Außenjade. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass TNT und seine Umbauprodukte auch im essbaren Anteil von Plattfischen aus den Munitionsverklappungsgebieten nachgewiesen wurden. Auch in Fischen, die an munitionsbelasteten Schiffswracks in der Nordsee gefangen wurden, ließen sich diese Explosivstoffe mittlerweile nachweisen. Analysen von Miesmuschelproben aus der Umweltprobenbank zeigen für das vergangene Jahrzehnt ebenfalls einen leichten Anstieg von Explosivstoffen. In Untersuchungen der benthischen Biodiversität wurde festgestellt, dass einige Arten in Wasser mit erhöhten TNT-Konzentrationen vermehrt vorkommen

Herausforderungen und Lösungsansätze

Es ist bislang nicht ausreichend bekannt, ob sich die sprengstofftypischen Verbindungen in den marinen Nahrungsketten weiterverbreiten, eventuell anreichern und dann auch in relevanten Mengen in Meeresfrüchten vorkommen. Die bisher gemessenen Konzentrationen in wildlebenden Muscheln und Fischen sind für den Menschen noch nicht besorgniserregend. In Enten und Meeressäugern zeigten die Untersuchungen noch keine Anreicherung. Im Rahmen des CONMAR 2-Projektes, das Teil der DAM-Forschungsmission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ ist, wird es dazu weitere Untersuchungen geben. Die zeitnahe Einrichtung eines regelmäßig stattfindenden Monitorings ist dringend angeraten.

4. Beeinträchtigung der Meeresökonomie

In bekannten Versenkungsgebieten finden in Deutschland kaum wirtschaftliche Aktivitäten statt. Die Flächen sind verhältnismäßig klein, und eine wirtschaftliche Nutzbarmachung ist derzeit nicht notwendig. Dennoch muss, wo immer auf dem Meer ein Bauvorhaben stattfindet, aufgrund der zufällig verteilten Munition (siehe Abschnitt 1) zunächst eine technische Erkundung und gegebenenfalls eine Kampfmittelbeseitigung stattfinden. Dies hat im Zusammenhang mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien eine besondere Relevanz. Auch die angestrebte Verbreiterung der Fahrrinne nordöstlich der Insel Wangerooge ist erwähnenswert, da diese in Teilen die Räumung eines Versenkungsgebiets erfordern wird. Es existieren keine Zahlen zu den Kosten, die diese Maßnahmen bereits verursacht haben. Die notwendigen Such- und Räumkampagnen führten in den letzten Jahren aber auch zu technischen Innovationen, durch die eine effiziente Räumung von Versenkungsgebieten technisch machbar erscheint.

Herausforderung und Lösungsansätze

Der angestrebte Ausbau der Offshore-Windkraft in Deutschland, aber auch im internationalen Kontext, kann leicht dazu führen, dass die am Markt befindlichen technischen und personellen Ressourcen zur Kampfmittelbergung vollständig gebunden werden. Dies würde die Umsetzung der Energiewende und die Räumung von Versenkungsgebieten verlangsamen. Daher sollte insbesondere die Ausbildung von neuem fachkundigem Personal (womöglich in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr) zügig intensiviert werden.

5. Kampfmittelsuche

Für die Kampfmittelsuche im Meer stehen mehrere, üblicherweise gleichzeitig genutzte, Sensoren (Magnetometer, Metalldetektoren und verschiedene Sonare) zur Verfügung. Die Suche nach Kampfmitteln in Vorbereitung von Bauvorhaben wird in der Regel von privaten Offshore-Vermessungsunternehmen durchgeführt. Im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben wurden zudem einige Versenkungsgebiete in Ost- und Nordsee untersucht. Speziell für einige Versenkungsgebiete in der deutschen Ostsee kann ein gutes Lagebild erstellt werden. Bislang wurden hierdurch jedoch lediglich Gebiete, die nach historischen Recherchen ca. 100.000 Tonnen Kampfmittel enthalten, systematisch erkundet und kartiert.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Obwohl weitere Verbesserungen der Sensortechnik hilfreich wären, liegen aktuelle Herausforderungen vor allem in der automatisieren Datenerhebung (also durch autonome Unterwasserfahrzeuge anstelle von Schiffen) und der Datenauswertung, z.B. durch künstliche Intelligenz (KI). Der Handlungsbedarf ist jedoch geringer als bei anderen genannten Herausforderungen.

Die Unterscheidung von Objekten wie Ankern, Zivilschrott, Fischereiausrüstung oder Steinen von eigentlichen Munitionskörpern stellt auch unter Zuhilfenahme von KI weiterhin eine Herausforderung dar. Eine effiziente Reduzierung von Verdachtsobjekten auf tatsächliche Munitionskörper würde einen erheblichen Beitrag zur Kostensenkung leisten.

Um die Kartierung der bekannten Versenkungsgebiete zu beschleunigen, ist es angeraten hierfür z.B. behördlich verfügbare Schiffe zu nutzen, wenn diese gerade nicht für andere Arbeiten eingesetzt werden. Die Kartierung der Versenkungsgebiete ist z.B. notwendig, um eine Priorisierung (siehe Abschnitt 6) der zu beräumenden Gebiete vorzunehmen.

6. Kampfmittelbergung

Zur Räumung von Kampfmitteln in der komplexen, dynamischen Meeresumwelt sind nur wenige Organisationen und Firmen befähigt. In den deutschen Küstengewässern sind die Kampfmittelräumdienste der Länder hierfür zuständig. Hinzu kommen einige private Räumfirmen – eine Branche, die weltweit nahezu einmalig ist (siehe Punkt 10 – Wirtschaftliches Potenzial), da die Aufgabe der Kampfmittelräumung im Meer in anderen Ländern meist dem Militär zufällt. Die Stärke des privaten Sektors hat womöglich deutlich zur Innovationskraft der Branche beigetragen. Während hierzulande ein Großteil der gefundenen Kampfmittel geborgen und nur selten gesprengt wird, ist in anderen Ländern das absichtliche Sprengen ein üblicherer Vorgang. Ersteres ist zu bevorzugen, haben Sprengungen doch gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. Besonders hervorzuheben sind die Effekte auf geschützte Meeressäuger wie den Schweinswal. Darüber hinaus gelangen Teile der Sprengstoffe durch Detonationen in die Meeresumwelt. Die Kampfmittelräumung ist mithilfe von Tauchern, ROVs (ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen), Multi-Tools und Crawlern möglich.

Das laufende Sofortprogramm „Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee“ hat unter anderem zum Ziel die Möglichkeiten der Räumung großer Mengen (vorwiegend unbezünderter) Munition aus Versenkungsgebieten zu eruieren. Die im Rahmen von Piloträumungen gewonnenen Erkenntnisse sollen einen Grundstein für anschließende kontinuierliche Räummaßnahmen darstellen.

Im Rahmen des Projekts CONMAR wird unter Beteiligung der relevanten Interessengruppen eine Prioritätenliste bekannter Munitionshaufen erstellt. Diese sollten nach Abschluss des Sofortprogramms zuerst beräumt werden. Um die Priorisierung solide zu gestalten, werden neben Daten des CONMAR Konsortiums auch Informationen einer Vielzahl von Bundes- und Landesbehörden genutzt. Diese werden über ein föderiertes Management miteinander verschnitten.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Es ist von herausragender Bedeutung, dass eine Anschlussfinanzierung an das Sofortprogramm sichergestellt wird. Um Versenkungsgebiete beräumen zu können, sollte die Effizienz gesteigert und das Risiko für den Menschen weiter minimiert werden. Deshalb sollte der Fokus auf dem Einsatz von ferngesteuerter Technologie liegen, die auch über lange Zeiträume hinweg unter Wasser bleiben und dort schwere Lasten bewegen kann. Grundsätzlich kann aber sofort nach Beendigung des Sofortprogramms mit der Beseitigung von versenkter Munition fortgefahren werden (z.B. in der Lübecker Bucht, wo überwiegend kleinkalibrige, unbezünderte Munition in Kisten liegt). Parallel können leistungsfähigere und effizientere Techniken und eine zeitnahe Entsorgung sowie schnellere und vor allem sichere Prozesse weiterentwickelt bzw. etabliert werden. Wichtig ist auch die Übertragung der Erfahrungen des Sofortprogramms auf die Nordsee, wo sich die Munitionsräumung aufgrund von Tidenströmen, höherem Wellengang und weiteren Faktoren schwieriger gestaltet.

Ein weiterer wichtiger Lösungsbaustein besteht in der kontinuierlichen Überwachung der Prozesse, um sowohl die Arbeitssicherheit für die beteiligten Personen zu gewährleisten als auch Risiken bei der Gefährdung der Umwelt möglichst frühzeitig erkennen und eindämmen zu können. Ein erstes räumbegleitendes Monitoring ist an das Sofortprogramm angeschlossen.

7. Kampfmittelentsorgung

Die Kampfmittelvernichtung findet in Deutschland an verschiedenen Standorten statt. Der wichtigste Betrieb ist die GEKA mbH, die in Munster weit entfernt von der Küste ansässig ist. Die Kapazitäten der bestehenden Betriebe sind ausgelastet mit der Folge, dass eine umfassende Räumung von Kampfmitteln aus dem Meer derzeit dazu führen würde, dass diese an Land oder unter Wasser zwischengelagert werden müssten. Es gibt daher Konzepte, die eine Vernichtung der Kampfmittel direkt auf See vorsehen. Die hierfür notwendige Technologie existiert, wurde bislang jedoch nicht in einer systemischen Technologiekette zusammengeführt. Im Rahmen des Sofortprogramms wird eine solche Entwicklung ausgeschrieben. Ob die Vernichtung auf See oder auf einer Liegenschaft direkt an der Küste (oder die gleichzeitige Verfolgung beider Ansätze) sicherer und zügiger umzusetzen ist, wurde bislang nicht untersucht. Unabhängig vom Standort der Anlage sind Effizienzgewinne bei der Entsorgung von Munition notwendig, damit die Entsorgung mit der Bergung schritthalten kann.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Es sollte zügig eine Entsorgungsanlage in der Nähe eines ausgewählten Versenkungsgebiets etabliert werden. Die Entsorgung kann voraussichtlich von sehr küstennahen oder seegestützten und leicht zu verlegenden Entsorgungsanlagen effizient durchgeführt werden. Die technischen Möglichkeiten dazu existieren bereits und könnten an Bord von speziell konstruierten Plattformen umgesetzt werden. Die GEKA mbH könnte, sei es bei einem System an Land oder auf See, als Gesellschaft des Bundes eine tragende Rolle einnehmen und sollte in die Prozesse eingezogen werden.

Abstimmungen zwischen deutschen Industrieunternehmen aus den Bereichen Bagger- und Kransysteme, Munitionsvernichtungsanlagen und Marineschiffbau zur Entwicklung geeigneter Konzepte finden kontinuierlich statt. Der Bau einer entsprechenden Entsorgungsanlage auf See wird von diesen Unternehmen als durchführbar angesehen. Hinzu kommt, dass im Projekt BorDEx derzeit daran gearbeitet wird, die Entsorgung von Großkampfmitteln zu verbessern und zu beschleunigen. Das wirtschaftliche Risiko, das mit der Entwicklung einer solchen Anlage einhergeht, sollte eingedämmt werden. Dies kann durch die kontinuierliche, an das Sofortprogramm angeschlossene Finanzierung der Bergung von Munition aus dem Meer geschehen.

8. Nationale Dimension – Akteure und Zuständigkeiten

Der Themenkomplex Munition im Meer betrifft eine große Anzahl öffentlicher und privater Akteure. Auf Bundesebene werden Verantwortungsbereiche des BMUV, BMWK, BMBF, BMVg, BMDV und BMEL und ihrer nachgeordneten Behörden berührt. Mit dem Sofortprogramm hat das BMUV die Verantwortung für das Thema de facto angenommen. Hinzu kommen auf Landesebene der fünf Küstenbundesländer jeweils die Ressorts für Umwelt, Verbraucherschutz und Inneres, letztere insbesondere vertreten durch die staatlichen Kampfmittelräumdienste. Im BLANO Expertenkreis ‚Munition im Meer‘ findet ein regelmäßiger Austausch von Vertretern des Bundes und der Länder zur Problematik mariner Munitionsaltlasten statt. Darüber hinaus existieren jeweils dezidierte privatwirtschaftliche Fachunternehmen für die einzelnen Phasen der Kampfmittelräumung – historische Erkundung, technische Erkundung, Räumung und Entsorgung. Außerdem vertreten einschlägige Verbände die Interessen von Umwelt und Natur.

Es existiert eine Vielzahl von relevanten Gesetzen, Vorschriften und Rahmenbedingungen. Dies ist der internationalen, nationalen und föderalen Bereichsaufteilung sowie dem Wasser-Land-Übergang geschuldet und lässt sich nicht ohne Weiteres auflösen.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Während sich Forschungsinstitute über Projektkonsortien und private Unternehmen in Firmennetzwerken zusammenfinden, findet die behördliche Zusammenarbeit seit vielen Jahren im BLANO Expertenkreis Munition im Meer statt. In den letzten Jahren engagierte sich eine Vielzahl an Behörden verstärkt im Themenbereich Munition im Meer. Ein unter Führung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) entstehender Leitfaden zu naturschutzrechtlichen und fachlichen Anforderungen an die Beräumung/Beseitigung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee ist in Arbeit.

9. Internationale Dimension

Munitionsaltlasten sind eine globale Herausforderung, die daher auch eine Vielzahl an Möglichkeiten eröffnet. Es existieren vielfältige Formate zur internationalen Zusammenarbeit (z.B. in JPI Oceans, HELCOM, BSCP oder der NATO). Die Spitzenforschung aus Deutschland und die hiesigen innovativen Unternehmen nehmen hierbei eine zentrale Rolle ein. Über das dadurch erworbene internationale Ansehen für die Bundesrepublik, bieten sich Absatzmöglichkeiten für technische Entwicklungen. Die erfolgreiche Räumung eines Versenkungsgebiets kann als Fallstudie für den Beginn der globalen Offshore-Altlastenbeseitigung dienen. Gemeinsam mit den anderen Ostseeanrainerstaaten der EU hat sich Deutschland zu einer Reihe von Maßnahmen verpflichtet. Hierzu gehört eine Risikobewertung bekannter Gebiete und gegebenenfalls deren anschließende Räumung.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Arbeit in internationalen Arbeitsgruppen wird von den Experten als Nebentätigkeit durchgeführt. Mit dem CONMAR-Konsortium hat sich eine informelle Koordinierungsstelle für die Wissenschaft gebildet. Behördliche Belange werden international häufig durch Vertreter des BLANO Expertenkreises Munition im Meer bearbeitet. Die Koordination der Gremienarbeit und die Finanzierung von Reisen wird durch die Institutionen selbst geleistet. 

Derzeit beginnen zahlreiche wissenschaftlich getriebene Projekte mit EU Förderung. Sie beleuchten neben Umwelt- und technischen Aspekten insbesondere auch wie auf EU Ebene besser zusammengearbeitet werden kann und sensible Daten nutzbar gemacht werden können (z.B. die Projekte MMinE-SwEEPER und MuniRisk).

10. Wirtschaftliches Potential

Deutschland ist eines der wenigen Länder in denen der Umgang mit Kampfmittelaltlasten im Meer nicht in die Zuständigkeit der Marine fällt. Das gesamte Vorgehen der Kampfmittelbeseitigung im Meer von der Suche bis hin zur Bergung kann – mit Unterstützung der Kampfmittelräumdienste der Länder – fast vollständig durch den gewerblichen Sektor abgedeckt werden. Lediglich die abschließende Vernichtung der Munition erfolgt in der Regel durch staatliche Stellen.

In der Vergangenheit wurden Innovationen in diesem Sektor in großem Maße durch den Bau der Offshore-Windkraftanlagen getrieben. Die ehrgeizigen Ausbauziele bei Offshore-Wind bieten den Firmen in diesem Sektor daher bereits interessante Perspektiven. Darüber hinaus vergrößert das Sofortprogramm und damit einhergehend der politisch verkündete Einstieg in die großskalige Kampfmittelbeseitigung die Wachstumsmöglichkeiten und kann so einen spürbaren Innovationsschub auslösen. Weiterhin führt der Wettbewerb unter den Unternehmen zu einer Entwicklung attraktiver Angebote, zu einer kontinuierlichen Senkung der Kosten und zu einer Steigerung der Effizienz im Gesamtprozess. Die Entwicklungen der letzten Jahre in den Bereichen Sensorik, Datenauswertung sowie robotische Systeme verdeutlichen das hohe Innovationspotential.

Den hiesigen Unternehmen bietet sich so die Chance, weitere Hightech-Lösungen zu entwickeln, die am Standort Deutschland Arbeitsplätze und Wertschöpfung schaffen und mit denen sie auch internationale Märkte bedienen können.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Während die anlassbezogene Kampfmittelbeseitigung (etwa im Rahmen von Offshore-Bau) durch eine Vielzahl von Auftraggebern veranlasst wird, hat die präventive Kampfmittelbeseitigung in Belastungsschwerpunkten begonnen. Da dort kein privatwirtschaftliches Interesse vorliegt, muss die öffentliche Hand die erforderlichen Mittel zur Kampfmittelbeseitigung über zahlreiche Legislaturperioden hinweg bereitstellen. 

Die deutsche Wirtschaft verfügt über die erforderlichen Kompetenzen und Technologien, um sich dieser Aufgabe zu stellen. Es bedarf aber verlässlicher Finanzierungszusagen, um kontinuierliche Investitionen im privaten Sektor zu garantieren. Zudem ist eine enge Abstimmung von angewandter Forschung, Entwicklung und öffentlicher Hand erforderlich. Detaillierte Ausführungen zum Stand der Technik und konkrete Handlungsempfehlungen zur Entfaltung der Wertschöpfungspotentiale finden sich in einem Positionspapier der Gesellschaft für Maritime Technik e.V.

11. Laufende Forschungsvorhaben

Neben den oben erwähnten Forschungsvorhaben existieren folgende weitere Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit deutscher Beteiligung:

12. Ansprechpersonen

Wissenschaftliche Grundlagen und Projekt CONMAR

Torsten Frey & Prof. Dr. Jens Greinert

DeepSea Monitoring Group, GEOMAR Helmholtz Centre For Ocean Research Kiel

tfrey@geomar.de

jgreinert@geomar.de

conmar@geomar.de

 

Dr. Matthias Brenner

Section Ecological Chemistry, Alfred-Wegner-Institut

matthias.brenner@awi.de

 

Prof. Dr. Edmund Maser

Institute of Toxicology and Pharmacology for Natural Scientists, University Medical School Schleswig-Holstein

maser@toxi.uni-kiel.de

 

Dr. Anita Künitzer

Umweltbundesamt

anita.kuenitzer@uba.de

Impressum zum Sachstandsbericht:

Texte: Torsten Frey, Jens Greinert | Redaktion: Ute Wilhelmsen | Mitarbeit: Edmund Maser, Jörn Scharsack, Matthias Brenner | Redaktionsschluss 01.10.2024 | Herausgeber: Deutsche Allianz Meeresforschung | Markgrafenstraße 22 | 10117 Berlin | Tel.: +49(0)30 23 59 627- 0 | kontakt@allianz-meeresforschung.de | https://www.allianz-meeresforschung.de

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