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Fokus

Die Geschichte des Plastiks

Vom "Material der 1.000 Anwendungen” zum Abfallprodukt, die Geschichte des Plastiks ist eine Reise durch Innovation, Wandel und wachsenden Herausforderungen.

Die ersten teilweise oder ausschließlich aus künstlichen Rohstoffen bestehenden Produkte wurden bereits im 19. Jahrhundert entwickelt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts werden Kunststoffe kommerziell produziert. Angetrieben durch den Mangel an natürlichen Materialien während des Zweiten Weltkrieges, stieg der Bedarf an Alternativen aus Kunststoff rasant an. Weil diese günstig herzustellen und vielfältig einsetzbar waren, verdrängten sie bald Produkte aus Holz, Metall, Baumwolle, Elfenbein oder Glas.

Im alltäglichen Sprachgebrauch werden Kunststoffe oft als Plastik bezeichnet. Dieses Wort stammt aus dem Griechischen plastikós und bedeutet formbar.

Zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden weltweit jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt. Seitdem ist die Produktion exponentiell gestiegen. Mehr als die Hälfte der sich global im Umlauf befindlichen Kunststoffe wurde seit der Jahrtausendwende produziert. Seit Beginn der industriellen Massenproduktion um 1950 wurden weltweit bis 2017 etwa 9,2 Milliarden Tonnen Plastik hergestellt.1

Hält der Produktionstrend weiter an, so könnten sich die Herstellungsmengen laut wissenschaftlicher Prognosen innerhalb eines halben Jahrhunderts mehr als verfünffachen: von rund 200 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 1.000 Millionen Tonnen im Jahr 2050.2

Von diesen rund 9,2 Milliarden Tonnen „Material der 1.000 Anwendungen“ wurde jedoch ein Großteil unsachgemäß weggeworfen oder auf andere Weise entsorgt – nur etwa 2,9 Milliarden Tonnen sind noch in Gebrauch.

Das liegt daran, dass Verpackungsmaterialien, also Einweg- und Wegwerfprodukte, über 40 Prozent der globalen Herstellungsmenge ausmachen. In der Elektroindustrie, im Transport- und Verkehrswesen sowie im Bausektor werden Kunststoffprodukte zwar über längere Zeiträume verwendet, allerdings nutzen diese Wirtschaftszweige nur ein Drittel der jährlichen Produktionsmenge.3

Je mehr Einweg- und Wegwerfprodukte erzeugt werden, desto mehr Kunststoffmüll fällt an und birgt das Risiko, die Umwelt zu verschmutzen. Denn global werden lediglich neun Prozent der hergestellten Kunststoffe recycelt. Rund 22 Prozent werden unsachgemäß entsorgt, 49 Prozent lagern auf Mülldeponien und rund 19 Prozent werden verbrannt.2,4 Erklären lassen sich diese Zahlen mit der Kunststoff-Nutzung von Wirtschaft und Gesellschaft: neues Plastik aus fossilen Komponenten herzustellen ist billiger, als Mehrweg-Produkte zu sammeln, reinigen und wieder aufzubereiten und abermals zu verwenden. Die bei der Kunststoffproduktion verwendeten Chemikalien, wie Flammschutzmittel, Weichmacher, Füllstoffe oder Farbstoffe erschweren zusätzlich den Recycling-Prozess. In der Regel können nur Produkte eines Polymertyps effektiv wiederverwertet werden. Die hierin enthaltenen Additive sind für die Qualität des recycelten Produkts von zentraler Bedeutung. Ihre Vielfalt führt in den meisten Fällen zum „Downcycling“.

Kunststoffe — so vielfältig wie ihre Bestandteile

Kunststoffe bestehen hauptsächlich aus synthetisch hergestellten organischen Polymeren. Der Aufbau von Polymeren ähnelt einer Perlenkette, bei der jede Perle ein kleines, sich wiederholendes Molekül darstellt, ein sogenanntes Monomer. Obwohl Polymere und Polymermischungen die Hauptbestandteile von Kunststoffen sind, bestehen die kommerziellen Endprodukte noch aus vielen weiteren chemischen Zusatzstoffen. Über 16.000 verschiedene registrierte chemische Stoffe, sogenannte Additive, werden in der Kunststoffproduktion für vielfältige Zwecke eingesetzt, dazu zählen beispielsweise Farb- und Füllstoffe, Flammschutzmittel oder Weichmacher.5 Dank dieser Zutaten-Vielzahl gibt es Kunststoffprodukte in ganz unterschiedlichen Formen, Farben und Größen und mit verschiedensten Eigenschaften. Diese Vielfältigkeit hat allerdings auch Nachteile: Nur Kunststoffe eines Polymertyps können problemlos wiederverwertet werden. Viele Produkte wie Co-Polymere und Verbundkunststoffe lassen sich nicht gewinnbringend recyceln. Weiterhin werden bei der Kunststoffproduktion auch Additive eingesetzt, die nachweislich oder möglicherweise giftig sind. Die Europäische Union stuft etwa ein Viertel der in der Kunststoffproduktion verwendeten chemischen Stoffe als potenziell bedenklich ein.

Die Vielzahl an Zusatzstoffen hat noch einen weiteren Nachteil: von den über 16.000 verschiedenen Chemikalien können mehr als 4.000 eine schädliche Wirkung haben, von den allermeisten ist die Wirkung noch unbekannt.5 Darüber hinaus können auch unbekannte Komponenten durch unbeabsichtigte Reaktionen während der Produktion entstehen (sogenannte non-intentionally added substances, kurz NIAS). Die Diversität in der chemischen Zusammensetzung von Kunststoffprodukten stellt derzeit eine wichtige Hürde für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft dar. Das hat einen direkten Einfluss auf unsere Umwelt. Rund elf Prozent des verursachten Plastikmülls verschmutzen weltweit die Gewässer.6,7 

1. McGlade, J., Samy Fahim, I., Green, D., Landrigan, P., Andrady, A., Costa, M., Geyer, R., Gomes, R., Tan Shau Hwai, A., Jambeck, J., Li, D., Rochman, C., Ryan, P., Thiel, M., Thompson, R., Townsend, K., & Turra, A. (2021). From Pollution to Solution: A global assessment of marine litter and plastic pollution. www.unep.org/resources/pollution-solution-global-assessment-marine-litter-and-plastic-pollution

2. Geyer, R. (2020). Chapter 2—Production, use, and fate of synthetic polymers. In T. M. Letcher (Hrsg.), Plastic Waste and Recycling (S. 13–32). Academic Press. doi.org/10.1016/B978-0-12-817880-5.00002-5

3. Plastics Europe. (2022). Plastics – the Facts 2022. plasticseurope.org/knowledge-hub/plastics-the-facts-2022/

4. Plastic pollution is growing relentlessly as waste management and recycling fall short, says OECD. (2022, Februar 22). www.oecd.org/en/about/news/press-releases/2022/02/plastic-pollution-is-growing-relentlessly-as-waste-management-and-recycling-fall-short.html

5. Wagner, M., Monclús, L., Arp, H. P. H., Groh, K. J., Løseth, M. E., Muncke, J., Wang, Z., Wolf, R., & Zimmermann, L. (2024). State of the science on plastic chemicals—Identifying and addressing chemicals and polymers of concern. Zenodo. doi.org/10.5281/ZENODO.10701706

6. Borrelle, S. B., Ringma, J., Law, K. L., Monnahan, C. C., Lebreton, L., McGivern, A., Murphy, E., Jambeck, J., Leonard, G. H., Hilleary, M. A., Eriksen, M., Possingham, H. P., De Frond, H., Gerber, L. R., Polidoro, B., Tahir, A., Bernard, M., Mallos, N., Barnes, M., & Rochman, C. M. (2020). Predicted growth in plastic waste exceeds efforts to mitigate plastic pollution. Science, 369(6510), 1515–1518. doi.org/10.1126/science.aba3656

7. Andrady, A. L. (Hrsg.). (2022). Plastics and the ocean: Origin, characterization, fate, and impacts. Wiley.

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