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Einblick

Wiederherstellung von marinen Ökosystemen

Viele Ökosysteme sind heutzutage gestört oder gar zerstört, doch manche lassen sich wiederherstellen – zum Wohl von Mensch und Natur.

Die Vereinten Nationen haben das aktuelle Jahrzehnt zur Dekade der Ökosystemwiederherstellung ausgerufen, denn nie zuvor war es dringlicher, die Natur zu stärken und zerstörte Ökosysteme an Land und im Meer wiederherzustellen. Die weltweite Umweltschutzkampagne fokussiert sich aber nicht allein auf das “Reparieren geschädigter oder zerstörter Lebensgemeinschaften”, sondern bezieht auch den Schutz intakter Wälder, Küsten- und Meeresgebiete mit ein. 

Fakt ist nämlich: Gesunde Ökosysteme besitzen nicht nur eine größere Artenvielfalt und können somit mehr und bessere Leistungen für Mensch und Natur erbringen. Sie entnehmen der Atmosphäre auch mehr Kohlendioxid, speichern den enthaltenen Kohlenstoff in ihrer Biomasse oder aber im Untergrund und helfen somit, den Klimawandel zu begrenzen. 

Es ist darum immer besser, Ökosysteme zu schützen und gesund zu erhalten. Falls ein Ökosystem aber bereits schwer geschädigt oder zerstört ist, gibt es die Möglichkeit, es zumindest teilweise wiederherzustellen.

Wie Lebensgemeinschaften gesund werden

Die Wiederherstellung von Ökosystemen war bisher vor allem auf Lebensräume an Land fokussiert, zum Beispiel das Aufforsten von Wäldern. Bemühungen, Ökosysteme im Meer wiederherzustellen, sind bisher vergleichsweise selten. Zuletzt gab es aber einige Fortschritte bei küstennahen Ökosystemen, darunter Mangroven, Kelpwälder, Seegraswiesen, Muschel- und Austernriffe oder teilweise auch Korallenriffe. 

Ob Maßnahmen zur Wiederherstellung Erfolg haben, hängt an vielen Faktoren. Zum Beispiel kommt es darauf an, um was für ein Ökosystem es sich konkret handelt, wie groß und komplex es in der Vergangenheit war, wo sich der Standort befindet und welche Techniken angewendet werden. Beachtet werden müssen insbesondere ortsspezifische ökologische Faktoren wie die Auswahl der Arten und ihre Zusammensetzung. Gleichzeitig müssen auch die sich ändernden Umweltbedingungen durch den Klimawandel berücksichtigt werden.

Ökosysteme lassen sich auf unterschiedliche Weise wiederherstellen, zum Beispiel:

  • durch das Wiederanpflanzen von Schlüsselarten wie Mangroven und Seegräser
  • durch die Wiederansiedelung ehemals heimischer Meerestiere
  • durch das Entfernen invasiver Algenarten oder anderer dominanter Störungen
  • vor allem aber indem menschengemachte Stressfaktoren reduziert werden, sodass die Lebensgemeinschaften alle Kraft darauf verwenden können, von selbst zu gesunden. Zu den bekanntesten Stressfaktoren gehören dabei eine intensive Befischung, der unkontrollierte Eintrag von Müll, Abwässern und Schadstoffen, Raubbau an Küstenwäldern und -wiesen, die Bebauung wichtiger Küstenabschnitte sowie störender Schiffs- und Bootsverkehr.

Projekte zur Wiederherstellung mariner Ökosysteme

Durch die Klimaerhitzung steigen die Temperaturen des Meerwassers und die Ozeane werden immer saurer. Eine Folge sind große Korallenbleichen. Die Riffe konnten sich in der Vergangenheit nach einem solchen Ereignis oft selbst helfen. Inzwischen sind die Bleichen aber häufiger und länger - ganze Korallenriffe sterben. Um dem entgegenzuwirken, gibt es Projekte, die Korallen restaurieren.

Korallengärtner kümmern sich zum Beispiel in Vanuatu im Südpazifik um das Restaurieren von Riffen. Sie sammeln kleine, abgebrochene Korallen auf und setzen sie an einen Spinnennetzrahmen aus Metall. Diese Rahmen mit Korallenfragmenten werden dann in zerstörten Gebieten ausgesetzt. Hier sollen sie als künstliche Riffe fungieren und das natürliche Wachstum anregen. 

Es ist unmöglich, ganze Korallenriffe neu zu pflanzen. Die Korallengärtner verfolgen vielmehr das Ziel, eine natürliche Erholung auszulösen. Außerdem hoffen sie, dass die Resistenz gegen Bleichen steigt, wenn sie gezielt Korallen aussetzen, die sich in der Vergangenheit resistent gezeigt hatten.  

Mehr Informationen dazu: https://reefresilience.org/de/case-studies/south-pacific-restoration/ 

Posidonia oceanica ist eine Seegrasart, die im Mittelmeer heimisch ist. Sie wächst in Gewässern mit einer Tiefe von bis zu 40 m, wo sie große Unterwasserwiesen bildet, die als wichtige Rückzugsgebiete und Nahrungsgründe für Hunderte von verschiedenen Meeresarten dienen. Außerdem schützen sie die Küsten vor Erosion, indem sie Wellen abschwächen und Sedimente stabilisieren. Auch speichern sie große Mengen an Kohlenstoff, schätzungsweise eine halbe Million Tonnen pro Jahr. 

Trotzdem sind mehr als die Hälfte der Posidonia-Bänke in Europa schwer geschädigt. Im Jahr 2010 wurde ein erstes EU-LIFE-Projekt in Andalusien gestartet, um Seegras-Bänke zu kartieren und den Erhaltungsbedarf zu untersuchen. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um bestehende Bedrohungen zu verringern, damit sich der Lebensraum auf natürliche Weise erholen kann. 

Seitdem gab es mehrere Initiativen, um geschädigte Posidonia-Bänke wiederherzustellen. So wurden beispielsweise unter Laborbedingungen gezüchtete Seegrasfragmente und -samen in geschädigte Wiesen verpflanzt. Ein erfolgreiches Experiment: 90 Prozent der Wiesen überlebten bis zum zweiten Jahr. Die Kosten für die Wiederherstellung sind jedoch nach wie vor hoch. 

Mehr Informationen zur Wiederherstellung von Ökosystemen: op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/95311c9d-f07b-11ec-a534-01aa75ed71a1

Die Zukunft der Karibik ist eng mit der Gesundheit ihrer Korallenriffe verbunden. Der Bewuchs mit lebenden Korallen ist in den letzten Jahrzehnten um 60 Prozent zurückgegangen. Die Zerstörung der Riffe bedroht die Bevölkerung der Region, deren Wirtschaft in hohem Maße von gesunden Riffen abhängt

Im Rahmen des Projekts CoralCarib der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) soll ein neuer strategischer Ansatz für die Erhaltung und Wiederherstellung karibischer Korallenriff-Ökosysteme entwickelt werden. Im Fokus steht die marine Biodiversität in Korallenriff-Ökosystemen rund um vier karibische Inseln (Kuba, die Dominikanische Republik, Haiti und Jamaika). Die Projektaktivitäten sind darauf ausgelegt, Korallenriffe, die über ein hohes Potenzial verfügen, zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels standzuhalten, zu schützen, wiederherzustellen und nachhaltig zu nutzen. Es sollen „Korallen-Klimaschutzrefugien“ entstehen. 

CoralCarib ist im Jahr 2023 gestartet und soll über einen Zeitraum von sechs Jahren umgesetzt werden.

Mehr Informationen: https://www.international-climate-initiative.com/projekt/coralcarib-entwicklung-eines-neuen-strategischen-ansatzes-fuer-die-erhaltung-und-wiederherstellung-karibischer-korallenriff-oekosysteme-in-klimaresistenten-refugien-22-iv-106-caribbean-a-coralcarib/ 

Langfristiger Schutz und nachhaltige Nutzung

Auch wenn es erste Erfolge gibt - die Aufgabe, Ökosysteme wiederherzustellen und zu schützen, ist eine riesige Herausforderung. Nur selten gelingt es, ein zerstörtes Korallenriff oder einen abgeholzten Mangrovenwald wieder vollständig in den Ursprungszustand zu versetzen. Zu komplex sind dafür die vielen Wechselwirkungen zwischen Meeresumwelt, Lebewesen und Stoffkreisläufen, die ein Ökosystem ausmachen. Zusätzliche Komplikationen entstehen durch klimabedingte Umweltveränderungen wie steigende Wassertemperaturen und -pegel. Sie verändern die physikalischen Ausgangsbedingungen und somit eine Leitplanke des Lebens im Meer. 

Die Wiederherstellung mariner Ökosysteme ist dann besonders wirksam, wenn sie darauf abzielt, die Artenvielfalt und Ökosystemleistungen der Naturräume langfristig zu stärken. Und dafür alle betroffenen Bevölkerungsgruppen in die Entscheidungsfindung mit einbezieht, deren Ansprüche an das Ökosystem (wie Erlöse aus Fisch, Holz oder Tourismus) berücksichtigt und entsprechend nachhaltige Kompromisslösungen findet. 

Ist ein Ökosystem erst einmal wiederhergestellt, sollten alle weiteren Eingriffe des Menschen auf ein nachhaltiges Minimum reduziert werden.

Quellen

  • Abelson, A., Reed, D. C., Edgar, G. J., et al. & Nelson, P. (2020). Challenges for restoration of coastal marine ecosystems in the Anthropocene. Frontiers in Marine Science, 7, 544105. doi.org/10.3389/fmars.2020.544105
  • Bayraktarov, E., Saunders, M. I., Abdullah, S., et al. & Lovelock, C. E. (2016). The cost and feasibility of marine coastal restoration. Ecological Applications, 26(4), 1055-1074. doi.org/10.1890/15-1077
  • Boström-Einarsson, L., Babcock, R. C., Bayraktarov, et al. & McLeod, I. M. (2020). Coral restoration – A systematic review of current methods, successes, failures and future directions. PloS one, 15(1), e0226631. doi.org/10.1371/journal.pone.0226631
  • Eger, A. M., Marzinelli, E., Gribben, P., et. al. & Vergés, A. (2020). Playing to the positives: using synergies to enhance kelp forest restoration. Frontiers in Marine Science, 544. doi.org/10.3389/fmars.2020.00544
  • Fuchs, G., Noebel, R. vom Ecologic Institut (2023). Die Wiederherstellung von Meeres- und Küstenökosystemen. Policy Paper Reihe zur UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021-2030), Policy Paper Nr. 6

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